ACHTSAMKEIT IM ALLTAG

Informelle Achtsamkeitspraktiken

Bei informellen Achtsamkeitspraktiken handelt es sich um Übungen, die du in deinen Alltag integrieren kannst. Dabei lernst du, alltägliche Handlungen ganz bewusst wahrzunehmen. Der Vorteil an informellen Achtsamkeitsübungen ist der, dass sie keine zusätzliche Zeit kosten und dir die Möglichkeit bietet, in jedem beliebigen Moment des Tages Achtsamkeit zu praktizieren. Wichtig ist dabei die wiederholte Übung. Dadurch lernst du schlussendlich, die Achtsamkeit zu einem festen Bestandteil deines Lebens zu machen.

Besonders Alltagsroutinen, die normalerweise unachtsam im Autopilotenmodus durchgeführt werden, laden informell dazu ein bewusst erlebt zu werden:

Achtsames Essen

Oft essen wir im Autopilot-Modus und schlingen eine Mahlzeit hinunter, während unsere Aufmerksamkeit dem Fernseher, dem Bildschirm unserer Smartphones, einem Buch oder einem Tagtraum gilt.

Achtsamkeit lädt uns dazu ein, diese Ablenkungen zu beseitigen und uns ungestört mit unserem Essen zu beschäftigen. Auf diese Weise nehmen wir uns Zeit für eine Mahlzeit. Wenn wir langsamer und ohne Ablenkung essen, genießen wir den Geschmack, die Aromen und die Beschaffenheit der Speisen und verbinden uns wieder mit unseren Sinnen. Außerdem können wir auch Hunger- und Sättigung mehr wahrnehmen und impulsivem Essen vorbeugen.

Wenn wir unsere Aufmerksamkeit auf die gesamte Erfahrung des Essens lenken, verlieren wir uns nicht mehr im Denken und sind weniger in möglicherweise komplizierten Emotionen gefangen, die wir im Zusammenhang mit dem Essen haben könnten. Wir erlauben uns ganz einfach, uns mit dem Genuss des Essens vertraut zu machen.

Im Folgenden stellen wir dir eine Übung vor, mit denen du dich im achtsamen Essen üben kannst.

Rosinen-Übung

Bevor du die Übung beginnst, suche dir einen ruhigen Ort, wo du dich hinsetzen und entspannen kannst. Vielleicht helfen dir ein paar tiefe Atemzüge, deinen Körper zu lockern und deinen Geist auf deine Übung zu konzentrieren. Sobald du es dir bequem gemacht hast, nimm die Rosine in die Hand.

PS: Du magst keine Rosinen? Macht nichts. Du kannst jedes beliebige Lebensmittel oder Getränk für die Übung verwenden.

1. Halten: Nehme zunächst eine Rosine und halte sie in deiner Handfläche oder zwischen Finger und Daumen.

2. Sehen: Nimm dir Zeit, um dich wirklich darauf zu konzentrieren; betrachte die Rosine mit Sorgfalt und voller Aufmerksamkeit - stelle dir vor, dass du gerade vom Mars gekommen sind und noch nie in deinem Leben ein Objekt wie dieses gesehen hast. Lass deine Augen jeden Teil der Rosine erforschen, untersuche die hellen Stellen, wo das Licht scheint, die dunkleren Vertiefungen, die Falten und Kanten und alle Asymmetrien oder besonderen Merkmale.

3. Berühren: Drehe die Rosine zwischen deinen Fingern und erkunde ihre Beschaffenheit. Vielleicht sogar mit verschlossenen Augen, wenn das deinen Tastsinn verbessert.

4. Riechen: Halte die Rosine unter deine Nase. Nimm bei jedem Einatmen jeden Geruch, jedes Aroma oder jeden Duft wahr, der auftauchen könnte. Achte dabei auf alles Interessante, das sich in deinem Mund oder Magen abspielt.

5. Platzieren: Führe nun die Rosine langsam an deine Lippen heran und achte darauf, wie deine Hand und dein Arm genau wissen, wie und wo du sie platzieren musst. Nimm die Rosine sanft in den Mund, ohne zu kauen, und achte darauf, wie sie überhaupt in den Mund kommt. Konzentriere dich einige Augenblicke lang auf das Gefühl die Rosine im Mund zu haben und erforschen Sie sie mit Ihrer Zunge.

6. Schmecken: Bereite dich nun darauf vor, die Rosine zu kauen. Achten darauf, wie und wo sie zum Kauen sein muss. Nimm dann ganz bewusst einen oder zwei Bissen und achte darauf, was danach passiert. Nimm die Geschmackswellen wahr, die von der Rosine ausgehen, während du weiter kaust. Achte ohne zu schlucken auf die bloßen Geschmacksempfindungen und die Textur in deinem Mund und darauf, wie sich diese im Laufe der Zeit, von Augenblick zu Augenblick, verändern können. Achte auch auf die Veränderungen des Objekts selbst.

7. Schlucken: Wenn du bereit bist die Rosine zu schlucken, schaue zunächst die Absicht zu schlucken zu erkennen, so dass sogar dies bewusst erlebt wird, bevor du die Rosine tatsächlich schluckst.

8. Anschließend: Achte abschließend darauf, ob du spüren kannst, wie die Reste der Rosine in deinen Magen wandern. Nimm dir nun einen Moment Zeit, um wahrzunehmen, wie sich dein ganzer Körper anfühlt. Die Meditationsübung ist nun abgeschlossen und du kannst deinen Tag fortsetzen.

Die obige Aufforderung ist nur ein Leitfaden, also fühle dich nicht unter Druck gesetzt, den Anweisungen genau zu folgen. Wenn sich diese Übung anfangs seltsam oder albern anfühlt, ist das in Ordnung. Normalerweise schenken wir unserem Essen nicht so viel Aufmerksamkeit.

Du kannst die Übung auch prima in deinen Alltag einbauen, indem du nur den ersten Bissen deines Essens versuchst, wie beschrieben, mit allen Sinnen so detailliert wie möglich wahrzunehmen.

Achtsam Kaffee trinken

Wenn du zu den Millionen von Menschen gehörst, die ihren Morgen mit einer Tasse Kaffee beginnen, dann hast du eine einfache, bereits eingebaute Zeit, um Achtsamkeit zu praktizieren!

Um deine morgendliche Tasse Kaffee in eine Übung in Achtsamkeit zu verwandeln, schlürfe mit Neugierde und richte dabei deine gesamte Aufmerksamkeit und Konzentration auf den Vorgang des Kaffeetrinkens.

Achte auf den aufsteigenden Dampf, auf die Form, die er annimmt, wenn er die Tasse verlässt. Halte kurz dein Gesicht oder deine Hand über den Dampf und nimm das Gefühl, die Temperatur und die Feuchtigkeit des Dampfes wahr. Während du die Tasse hältst, achte auf die Form, die deine Hand und deine Finger um die Tasse herum annehmen. Achte auf Rillen, Kurven oder die Struktur der Tassenoberfläche. Spüre den Übergang der Wärme und nimm wahr, wie diese deine Hände erwärmt. Führe die Tasse langsam an deine Lippen und spüre den Kontakt zwischen deinen Lippen und dem Rand der Tasse. Wenn du zum ersten Schluck Kaffee ansetzt, nimm den Geschmack wahr - vielleicht kräftig und hell oder mit einem Hauch von Karamell oder Schokolade. Achte beim Schlucken auf den Kaffee und beobachte dabei, wie die Flüssigkeit deine Kehle hinunter und durch deinen Körper wandert und schließlich in deinem Magen landet. Wiederhole dies nun langsam für ein bis zwei weitere Schlucke.

Es mag albern erscheinen, aus einem einfachen Schluck Kaffee eine solche Tortur zu machen, aber dies ist eine großartige Übung in Achtsamkeit. Je nachdem wie viel Zeit du hast, genügt es allerdings auch sich darauf zu konzentrieren, die ersten zwei bis drei Schlucke achtsam zu trinken.

Achtsam Duschen

Die tägliche Dusche ist eine perfekte Gelegenheit, um Achtsamkeit zu üben. Allein, in Ruhe und weit weg von den üblichen Ablenkungen deines Lebens - und sei es nur für einen kurzen Zeitraum.

Vorbereiten
Lege zuerst alle deine elektronischen Geräte weit genug weg, damit du sie dich nicht ablenken können. Bereite dein Handtuch und andere notwendige Gegenstände vor und behandele diese mit Sorgfalt. Während du deine Klamotten ablegst, nimm dir Zeit deine Kleidung zu falten oder sie einzeln auszulegen und im Stillen jedes Kleidungsstück zu benennen. Wenn es an der Zeit ist die Dusche einzuschalten, sage dir, dass du bereit bist, erfrischt zu werden.

Nutze deine Sinne
Beobachte, wie das Wasser in der Wanne hinunterfließt und sich die Tropfen auf dem Vorhang oder an der Wand sammeln. Höre auf das Sprühen der Düse und das Plätschern des Wasserstrahls, wenn er auf den Boden trifft. Spüre, wie das warme Wasser auf deinen Körper trifft. Rieche den Duft deiner Seife und deines Shampoos.

Achte auf deinen Körper
Mach einen Body-Scan: Spüre die Wärme des Wassers und die Tropfen auf deiner Haut. Konzentriere dich zunächst auf deine Füße und arbeite dich nach oben vor. Konzentriere dich auf die Empfindungen, die du spürst, wenn du dich einseifst. Dabei empfiehlt es sich deinen Körper auf eine andere Weise zu waschen als sonst. Das führt dazu, die sonst oft automatisierten Waschhandlungen bewusst zu erleben. Vielleicht mal bei den Füßen anfangen? Du kannst die Reihenfolge von Duschgang zu Duschgang variieren.

Atmen und Visualisieren
Nimm dir, wie bei einer normalen Meditation, einen Moment Zeit, um ein- und auszuatmen. Schließe deine Augen und lasse das Wasser sanft über dich fließen. Während du atmest, stelle dir vor, dass alle Gedanken und Sorgen wie Wasser den Abfluss hinunterfließen. Achte darauf, ob du danach mit deinen Gedanken in der Vergangenheit verweilst oder die Zukunft planst. Versuche alle Details des Waschvorgangs bewusst zu erleben und mit der Aufmerksamkeit im Hier und Jetzt zu sein.

Dankbarkeit
Sei dankbar für den Luxus des heißen Wassers, der Seife und das Vergnügen, blitzsauber zu werden.

Achtsamer Abschluss
Die Meditation muss nicht aufhören, wenn du das Wasser abstellst. Wenn du fertig bist, trockne und tupfe dich sanft und weich ab. Anschließend kannst du deiner Haut mit Lotionen oder Cremes pflegen.

Achtsamkeit unter der Dusche muss nicht viel Zeit in Anspruch nehmen. Diese Schritte können in dem Tempo durchgeführt werden, das dein Zeitplan zulässt. Und denke daran: Wenn deine Gedanken beim Duschen abschweifen, lenke sie einfach auf das Geräusch des Wassers zurück. 

Achtsam Zähneputzen

Auch Zähneputzen ist etwas, das die meisten von uns wahrscheinlich im Autopilot tun. Zähneputzen kann auch eine langweilige Erfahrung sein, etwas, das wir vielleicht so schnell wie möglich hinter uns bringen. Das ist die perfekte Gelegenheit, um sich in Achtsamkeit zu üben.

Jedes Mal, wenn du während des Putzens bemerkst, dass deine Gedanken abgewandert sind, kannst du deine Aufmerksamkeit wieder auf deinen Körper zurücklenken. Was kannst du sehen? Was kannst du hören? Wie ist die Farbe der Zahnpasta? Wie riecht sie? Welchen Geschmack hat sie? Du brauchst nicht zu viel zu denken, es geht eher darum, präsent zu sein und all diese Dinge wahrzunehmen.

Richte nun deine Aufmerksamkeit entspannt auf die Empfindungen des Schrubbens. So wie du dich während der Meditation auf deine Atmung konzentrieren würdest. Achte darauf, wie sich dein Arm von einer Seite zur anderen bewegt und wie die Zahnbürste auf deinen Zähnen klingt. Spüre die Borsten an deinem Zahnfleisch und an deinen Zähnen.

Das mag auf den ersten Blick etwas albern klingen, aber das Zähneputzen eignet sich besonders gut zum Üben von Achtsamkeit, gerade weil es so repetitiv ist. Ähnlich wie die Meditation bietet sie einen ganz bestimmten Rahmen, in dem man sich konzentrieren kann.

ACHTSAMKEIT LERNEN – FORMELLE UND INFORMELLE ACHTSAMKEITSÜBUNGEN